T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

F[riedel] Loeff: »Der Teufel aus Shanghai«, 1935
von Mirko Schädel



Friedel Loeff: Der Teufel aus Shanghai, Leipzig: Friedrich Rothbarth Verlag 1938, 238 Seiten


Friedel Loeff, 1906–?, war ein deutscher Unterhaltungsschriftsteller oder eine deutsche Unterhaltungsschriftstellerin, denn der Vorname läßt beide Geschlechter zu.

Der Teufel von Schanghai, 1938, wurde als Abenteuerroman deklariert, ist aber ein echter Kriminalroman, der lediglich in exotischen Gefilden spielt, nämlich in Shanghai. Die Vorgeschichte spielt in London, wo zwei Ärzten eines Krankenhauses auffällt, daß bereits zwei Patienten, die aus China heimkehrten, an einer geheimnisvollen Krankheit verstarben. Der eine Fall lag bereits zwei Jahre zurück. Die Ärzte wenden sich an Scotland Yard und berichten einem Beamten ihre Beobachtung, der wiederum durch die Presse in Erfahrung bringen will, ob es noch weitere ähnliche Krankheitsfälle gegeben hat und so melden sich zwei weitere Leute, die von derartigen Fällen berichten. Vier Patienten sind bereits verstorben und hatten sich vorher einige Zeit in Shanghai aufgehalten.

Der Chef von Scotland Yard wittert ebenso wie seine Kollegen ein Verbrechen hinter den tödlich verlaufenden Krankheitsfällen und betraut einen alten Bekannten namens Roy mit dem Fall. Roy soll sich nach Shanghai begeben und dort Nachforschungen anstellen. Doch ehe er seine Flugreise, die in mehreren Etappen stattfinden soll, antreten kann, wird ein Rechtsanwalt in London ermordet, der der Polizei das Motiv dieser Morde liefern wollte. Auch ein Mordanschlag auf Roy wird mit knapper Not vereitelt.

Scotland Yard ist sich nun sicher, daß sie es mit einer kriminellen Organisation zu tun haben, deren Einflußsphäre von Shanghai bis London reicht. Roy beschließt seinen Diener James und den Sekretär des ermordeten Rechtsanwalts namens Patterson mit nach China zu nehmen, Patterson ist ein sportlicher Hüne, der selbst einige Zeit in der europäischen Kolonie Shanghais zugebracht hatte und sich mit den Verhältnissen dort auskennt.

Shanghai besteht unter anderem aus verschiedenen kleinen europäischen Wohnvierteln, wo vorwiegend Franzosen und Engländer leben. In Shanghai mieten sich die drei Männer zwei Wohnungen, wobei Roy und Patterson darauf achten, daß ihre nähere Bekanntschaft und ihre Aufgabe vor Ort nicht leicht zu durchschauen ist.

Sofort werden die Neuankömmlinge zu zahlreichen Abendgesellschaften eingeladen, auch zu einem der bedeutendsten Gastgeber, den chinesischen Gelehrten Li-Ying, der vor allem seine europäischen Nachbarn um sich schart. Li-Ying ist der Vater der bezaubernden und weltgewandten To-Tai. Bei dieser Gelegenheit verschaffen sich Patterson und vor allem Roy einen Überblick über die verschiedensten Europäer, die sich zur Zeit in Shanghai aufhalten.

Das Ehepaar Durand fällt Roy besonders ins Auge, vor allem Olga Durand, die überaus nervös und kränkelnd wirkt, weckt ein gewisses Interesse bei dem Ermittler. Er observiert sie zufällig eines Tages auf der Straße, da die Dame sich äußerst verdächtig verhält. Roy entdeckt, daß Olga Durand dem Laster des Opiumrauchens nachgeht. Und dem Leser wird klar, daß Olga ihrem Gatten gegenüber dieses Laster zu verheimlichen sucht.

Aber auch in London entwickeln sich die Dinge. Ein Brief aus China, Tsingtao erreicht Scotland Yard. Der Leiter des deutschen Krankenhauses in Tsingtao hat einen Artikel über die rätselhaften Krankheitsfälle in der Presse gelesen und kann darüber nähere Auskunft geben, denn er ist überzeugt, daß diese Krankheit auf Radium zurückzuführen ist, denn vor einigen Jahren wurde dem Laboratorium des Krankenhauses eine Radiumnadel entwendet – und nun vor ein paar Tagen ist eine weitere Radiumnadel spurlos verschwunden. Somit gibt es eine Erklärung für die rätselhafte Krankheit, denn das Radium ist in der Lage einen schnell fortschreitenden Krebs hervorzurufen, wenn man es an seinem Körper über einige Tage trägt.

Diese Informationen gelangen über den Umweg London auch zu Roy in Shanghai, der nun weiß, worauf er zu achten hat. Es stellt sich auch heraus, daß die Mordopfer allesamt Raucher waren und man vermutet, daß man sie mit Radium in präparierten Zigarettenetuis verstrahlt hat. Als auch noch der schwerreiche Franzose Durand an Roy privatim herantritt und von einer Art Ekzem berichtet, wird unserem Detektiv der Zusammenhang klar. 

Durands Zigarettenetui wird mit Fotopapier getestet und erweist sich als Quelle der Radiumstrahlung. Das Etui wird vorerst in eine Bleikassette gesteckt und Durand versorgt sich mit einem baugleichen Modell seines Zigarettenetuis.

Roy verfolgt nun einige Spuren in die chinesische Altstadt Shanghais, er streift mit einem Chinesen und in vollständiger Maskerade durch die nächtliche Stadt. Ein Pfandleiher wird ermordet aufgefunden, und Roy ahnt die Zusammenhänge des Mordes. Er verschafft sich Zugang zum Haus des Ermordeten und entdeckt dort einige Papiere, die das Motiv der bisherigen Verbrechen enthüllen.

Junge, naive Engländer mit einem eigenen Vermögen sind durch Radium ermordet worden. Das Vermögen der jungen Leute hatte sich nach ihrem Tod verflüchtigt – es war in dunken Kanälen spurlos verschwunden. Denn ein Schurke hatte dafür gesorgt, daß die jungen Herren ihr Geld in eine Geschäftsidee investierten, die keine Zukunft hatte. Man wollte mittels Radiumbestrahlung aus wertlosen Korunden, einen Halbedelstein, wertvollere Farbsteine herstellen, die im Verkauf eine ungeheure Rendite abwerfen sollten. Doch verfügten die Schurken keineswegs über die Mengen von Radium, die nötig gewesen wären um diese Veredelung gewinnträchtig durchzuführen. Die Renditen wären also gar nicht zahlbar gewesen. Stattdessen entschieden sich die Verbrecher dafür die Betrogenen zu ermorden um den Betrug und alle Spuren zu verwischen.

Jener chinesische Gelehrte Li-Ying und einige Mitwisser galten Roy als Drahtzieher dieser Verbrechen – doch auch ein geheimnisvoller Russe namens Solossow hatte seine Hände im Spiel. Roy kann jedoch auch diese Identität klären, denn endlich zurück in London wendet er einen Trick an um Solossow zu enttarnen – und damit wird auch der Mörder jenes Rechtsanwalts überführt, den es zu Anfang des Romans in ein besseres Jenseits beförderte.

Der Roman ist sprachlich etwas schwächer als zum Beispiel Edgar Strobels Der Mann ohne Gestern, aber für den Zweck eines spannenden Kriminalromans reichen die sprachlichen Mittel aus. Die Konstruktion der Geschichte ist durchaus solide, der Ton naturgemäß etwas naiv und die Exotismen gar nicht mal überschwänglich. Was mir aber besonders gefallen hat, ist die Tatsache, daß Loeff rassistische Stereotype nicht benutzt. Der Autor bzw. die Autorin legt ihrem Helden Roy Dinge in den Mund, die darauf hinweisen, daß es ebenso chinesische wie englische Schurken gebe, und daß man deshalb nicht sämtliche Chinesen verdammen solle. Auch politische Zugeständnisse zum herrschenden Deppenregime finden sich nicht.