T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Wolfgang Bernhardi: »Berlin arm und reich. Romantisches Lebensbild«, 1870

von Mirko Schädel



Wolfgang Bernhardi: Berlin: Arm und reich. Romantisches Lebensbild, Berlin: Dr. P. Langmann & Co. 1870, 202 Seiten


Über Wolfgang Bernhardi, 1840–1896, weiß ich recht wenig, außer daß er offenbar unter dem unmittelbaren Einfluß der Lektüre von Romanen des Franzosen Eugene Sue gestanden haben muß, insbesondere unter dem Einfluß der bekanntesten Blaupause aller Geheimnisromane Die Geheimnisse von Paris. Bernhardi hat noch einige ähnliche Romane und Humoresken geschrieben.

Der Verlag Dr. Langmann & Co. in Berlin scheint in den frühen 1870er Jahren vor allem für humoristische Romane und kolportageartige Kriminalromane bekannt gewesen zu sein, die wohl als billige Broschuren vertrieben wurden und auch deshalb nur selten und fast ausschließlich als Nachbindungen vorliegen.

Auch zu dem Roman Arm und reich will ich kein überflüssiges Wort verlieren, denn alles in allem ist dieser kolportageartige Kriminalroman eine recht langweilige Imitation von Sues Die Geheimnisse von Paris, nur das die Handlung nach Berlin verlegt wurde. Ein echter Schurke, der in der Larve eines Barons auftritt, verführt reihenweise unschuldige Jungfrauen aus bester Gesellschaft und dirigiert eine kleine Bande von Kriminellen der verworfensten Gesellschaftsschichten, die dem durch und durch bösen Baron willenlos zu Diensten sind und nicht merken, wie sie ausgenutzt werden. Dabei ist dem Autor zumindest gelungen die einzigartige Atmosphäre des Sue’schen Vorbildes hinüberzuretten. Und so ist Arm und reich von Wolfgang Bernhardi eine stark verkürzte, eigenwillig modifizierte Imitation dieses berühmten Geheimnisromans, der auch mit der Kapitalismuskritik im Sinne seines Vorbildes Eugene Sue aufwartet.