T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Edgar M. Eber-Ginrod: »Toggenbank verliert sich. Eine mysteriöse Angelegenheit«, 1934

von Mirko Schädel



Edgar M. Eber-Ginrod: Toggenbank verliert sich. Eine mysteriöse Angelegenheit, Wiesbaden: Matthias-Grünewald-Verlag 1934, Die USW-Reihe, 242 Seiten


Edgar M. Eber-Ginrod, das ist Edgar Manfred Eber, 1907–1986, veröffentlichte 1934 den Roman Toggenbank verliert sich. Eine mysteriöse Angelegenheit. Dabei handelt es sich um eine teilweise gelungene Mischung eines Abenteuer-, Spionage- und Kriminalromans, der in Wiesbaden im kleinen Matthias-Grünewald-Verlag erschienen ist.

 

Friedrich Toggenbank ist der Sohn eines alteingesessenen Reeders und Kaufmanns aus Hamburg, eines Pfeffersacks also, der der Globalisierung bereits frönte als der Begriff noch gar nicht Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs war, denn der alte Toggenbank wickelt seine Geschäfte in allen Teilen der Welt und mindestens auf fünf Kontinenten gleichzeitig ab. Für seinen neuesten Coup benötigt er die Hilfe seines Sohnes, den er vor kurzem zum Juniorchef erklärt hat.

Unser Romanheld Friedrich Toggenbank wird mit chiffrierten Geschäftspapieren ausgestattet und nach Indien geschickt, wo er Rohstoffe ausbeuten und industriell verarbeiten lassen will, die nur dem indischen Markt zugute kommen sollen – an der Kolonialmacht England vorbei. Dabei soll dieses Projekt gleichzeitig die Befreiung der indischen Bevölkerung von der englischen Kolonialmacht einleiten. Aber Friedrich ist nicht gerade begeistert von seiner monatelangen Fernreise, da er sich in Hamburg in ein Mädchen verliebt hat – auf die er nun leider einige Zeit verzichten muß.

Schon auf dem Dampfer nach Indien geschehen seltsame Dinge, ein Asiate von besonders eindrucksvoller Statur verfolgt ihn. Es wird auch ein Raubversuch auf seine Dokumente verübt, doch lernt der junge Toggenbank an Bord die Tochter eines mächtigen amerikanischen Industriellen kennen, Mable Flush, die ihm künftig hilfreich zur Seite steht und ebenfalls in Toggenbanks riskantes Geschäft als Investorin einsteigt – ehe sie übrigens weiß, worum sich Toggenbanks Geschäfte in Indien drehen. Mable hat sich in den jungen Friedrich Toggenbank verliebt, weiß aber um die Verlobung mit seiner Angebeteten. Mable genießt jedoch sehr schnell das Vertrauen Toggenbanks und verbirgt dessen chiffrierte Papiere, so daß weitere Anschläge auf Toggenbanks Geheimnis ins Leere laufen müssen.

In Indien wird Toggenbank recht bald nach seiner Ankunft entführt, und der Leser erfährt, daß sowohl russische als auch japanische Agenten nach seinen Papieren lechzen, während Mable sich Hilfe sucht um Toggenbank ausfindig zu machen, denn der junge Mann verschwand spurlos aus einem Eisenbahnabteil.

Während nun Mable und ein junger Detektiv der englisch-indischen Polizei nach Toggenbank fahnden, erfährt der Leser, daß die Verlobte Toggenbanks und sein vermeintlicher Schwiegervater russische Wirtschaftsspione sein müssen. Allerdings muß einschränkend hinzugeführt werden, daß die zahlreichen feindlichen Kräfte, die vielen Agenten und Schurken, kaum voneinander zu unterscheiden sind.

Toggenbank wird währenddessen in Nordindien von seinen Kidnappern gefangen gehalten, aber kurz darauf von anderen Kräften entführt, doch es gelingt ihm die Flucht und er landet orientierungslos im afghanischen Hinterland, wo er bald schon einer Horde von afghanischen Kriegern in die Hände fällt. Der Führer dieser bis an die Zähne bewaffneten Kämpfer entpuppt sich jedoch als Österreicher, der den jungen Deutschen zu schützen sucht. Durch allerlei Tricks wird Toggenbank als gleichwertiger Kämpfer von den Eingeborenen anerkannt. Einige Zeit später erfährt unser Held dann aber von den Plänen des Österreichers, seines Beschützers, und erahnt dessen Größenwahn. Toggenbank schlägt seinen »Freund« nieder, bewaffnet sich und flieht auf dem Rücken eines Pferdes nach Indien. Sein österreichischer Freund plante nämlich 10.000 seiner Soldaten nach Kabul zu senden und mit weiteren 30.000 Kämpfern in Nordindien einzufallen.

Ich will gar nicht mehr von dem Roman erzählen, der mich etwas ratlos zurückgelassen hat. Auf der einen Seite zerren die vielen Randfiguren des Romans an meinen Nerven, und ich muß gestehen, daß ich bis zuletzt nicht ganz verstanden habe, wer von den Schurken der Oberschurke war. Andererseits sind die unterschiedlichen Länder und Milieus so ausgezeichnet dargestellt, daß ich annehmen muß, daß Edgar M. Eber diese Gegenden aus eigener Anschauung gekannt haben könnte.

Während der Roman also glänzend recherchiert ist – was Orte, Landschaften und die präzisen Eindrücke von ausländischen Staaten angeht, so ist dem Autor doch sein imposantes Figurentheater entglitten. Tonfall und Sprache des Romans sind einwandfrei und auf überdurchschnittlichem Niveau, nur sind die Figuren eben aus dem Klischeebaukasten entnommen und unterscheiden sind nur verwirrend geringfügig voneinander. Es gibt noch zahlreiche andere uninteressante Nebenfiguren – mit Ausnahme des alten Vedderbusch, ein Faktotum des alten Toggenbank, der sich nach Indien begibt und sich dort als gewiefter Detektiv betätigt.

Witzig ist immerhin der österreichische Afghane, der zwar nicht die Weltherrschaft anstrebt, sich aber doch nach seinem geplanten Feldzug mindestens zum König Afghanistans und Nordindiens krönen lassen will. Diese lächerliche Figur erinnert doch in gewisser Hinsicht stark an den damals allseits beliebten Führer des großdeutschen Reiches. Ich vermute, daß Eber hier ganz bewußt auf diesen Volltrottel anspielt und ihn karikierend als österreichischen Feldherrn eines blutrünstigen, afghanischen Kriegervolkes darstellt.