T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Auguste Groner: »Das Pharaonenarmband«, 1904

von Mirko Schädel


Auguste Groner: Das Pharaonenarmband, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1904, DEVA-Roman-Sammlung Band 1, 157 Seiten


Auguste Groner, 1850–1929, war eine österreichische Volksschullehrerin und Schriftstellerin, die den Detektiv Joseph Müller erfand. Mein Exemplar des Romans ist eine spätere Auflage von 1904, das Büchlein ist in gleicher Ausstattung in der Reihe »Deva-Romane« jedoch bereits 1900 erschienen. Dem Verlag von Gerhard Lindenstruth ist es zu verdanken, daß Groner wiederentdeckt wurde. Das Pharaonenarmband, 1900, ist ein spannender, solider und gut konstruierter Kriminalroman, der die Atmosphäre der Jahrhundertwende vorzüglich einfängt.

Graf Sainte-Aulair, ein Spieler und Frauenheld in den besten Jahren, kehrt von einer kleinen Exkursion zurück in sein trautes Heim. Doch seine alte Dienstbotin ist völlig aufgelöst und beginnt weinend zu berichten, daß die Frau des Hauses seit zwei Tagen spurlos verschwunden sei. Nach einigem nachdenklichen Zögern sucht der Graf die Polizei auf um nach seiner flüchtigen Gattin forschen zu lassen.

Groner versteht es meisterhaft den Verdacht auf den Grafen zu lenken, denn dieser ist derjenige, dem der Tod der Gattin vortrefflich nützt, denn nicht nur ist diese Ehe durch die vielen Liebeleien des Grafen zerrüttet, sondern darüberhinaus erbt der Gatte das ganze beträchtliche Vermögen seiner Frau. Er selbst ist verschuldet und nahezu mittellos.

Die Polizei beauftragt den Detektiv Joseph Müller mit dem Fall. Vorerst gilt die Gräfin lediglich als abkömmlich, möglicherweise ist sie nur verreist – woran aber kaum jemand ernsthaft glauben mag. Müller befragt die Dienstboten, untersucht die Gemächer der Gräfin und macht sich ein eigenes Bild von deren merkwürdigem Verschwinden. Er erfährt ganz nebenbei, daß die Gräfin einen Hang zum Aberglauben besaß. Außerdem stellt Müller fest, daß die Gräfin durchaus ein kleines Täschchen dabei hatte, das sich bei einem Kürschner zur Reparatur befand und das die Gräfin unmittelbar vor ihrem Verschwinden abgeholt hatte. Darüberhinaus bemerkt Müller, daß die Verschwundene offenbar ihren gesamten wertvollen Schmuck mitnahm. Lediglich das antike Pharaonenarmband hatte der Gatte wohl kurz zuvor seiner Gattin entwendet und es seiner neuesten Liebschaft zum Geschenk gemacht. Viele Indizien deuten darauf hin, daß der Graf seine Gattin ermordet hatte – und so wird dieser in Untersuchungshaft genommen.

Bald darauf wird die Leiche der Gräfin in einem Waldstück entdeckt. Der Schmuck, den sie offenbar dabei hatte, ist ihr geraubt worden und die Gräfin befand sich in männlicher Begleitung auf dem Weg zu einem alten Schäfer, einem Wahrsager, ehe sie an einem gewaltsam zugefügten Genickbruch starb. Zumindest ein Zeuge, ein Weinbauer, hatte die beiden Personen fragmentarisch hinter Büschen gesehen – oder vielmehr deren Stimmen gehört.

Naturgemäß wird auch nach dem geraubten Schmuck gefahndet und die Spuren führen Müller nach Amsterdam, denn tatsächlich wurden dort die wertvollen Schmuckstücke einem Juwelier zum Kauf angeboten. Offenbar hatte sich der Dieb kurz in einem Hotel aufgehalten und Kontakt zu Amsterdamer Juwelieren gesucht. Müller gelingt es das Hotel ausfindig zu machen und einen Kutscher zu befragen, der den Verdächtigen in der Stadt herumkutschiert hatte. Zudem wird Müller erzählt, daß die betreffende Person einen Brief per Einschreiben zu einer bestimmten Stunde abgeschickt hatte. Auf Nachfrage bei dem Postamt, wo das Einschreiben aufgegeben wurde, wird bekannt, daß zu jener Stunde lediglich sieben Briefe nach Wien per Einschreiben abgeschickt wurden. Müller vermutet, daß sich unter diesen sieben Einschreiben ein Brief des Diebs und möglichen Raubmörders befindet. Er läßt sich die Adressaten geben, die schriftlich notiert wurden und eilt nach Wien.

Dort kommt er siegesgewiß an, denn er hat nun nichts anderes zu tun als jene sieben Adressaten zu besuchen, die ein Einschreiben aus Amsterdam erhalten hatten. Bei der dritten Adresse stößt er auf eine Wahrsagerin, die die Gräfin kurz vor ihrem Tod aufgesucht hatte. Müller wird klar, daß er nunmehr die Spur in Händen hält, die ihn zu dem Mörder führen wird. Die Wahrsagerin wird verhört und räumt nach einiger Zeit ihre Mitschuld an dem Verbrechen ein. Sie habe von dem Schmuck der Gräfin gehört und wendete einen Trick an, um die Dame in jenes Waldstück zu locken. Der Liebhaber der Wahrsagerin sollte die Gräfin zu einem Schäfer bringen, der ebenfalls über übersinnliche Kräfte verfügt. Dieser Schäfer sollte den Schmuck der Gräfin angeblich begutachten um herauszufinden von welchem Schmuckstück ausgehend sich das Unglück über das Schicksal der Gräfin breitet. Denn die Gräfin glaubte seit langem, daß jenes ägyptische Armband, das einem toten Pharao einst zur Ehre gereichte, Unglück über ihr Leben gebracht habe. Um jeden Irrtum auszuschließen sollten auch die anderen Schmucksachen geprüft werden. 

Die Gräfin hatte eilig ihre Schmucksachen in ihrem Haus zusammengerafft, die in Schatullen und Etuis lagerten, und wollte diese dem Schäfer vorlegen. Doch bevor die Gräfin in ihrer mörderischen Begleitung den alten Schäfer erreichte, erschlug dieser die Dame und raubte deren Juwelen. Letzterer konnte noch in Amsterdam in einer Absteige verhaftet werden und wurde anschließend nach Wien überführt, wo man ihn zum Tode verurteilte. Seine Komplizin wurde zu einer langen Zuchthausstrafe verurteilt.

Der gebrochene und seiner Gesundheit verlustig gegangene Gatte und einstige Lebemann Graf Sainte-Aulaire wird von seinem Schwiegervater gestützt zur Grabeskirche seiner erschlagenen Frau gebracht, wo er das Pharaonenarmband als Votivgeschenk auf dem Altar zurückläßt. Mit diesem Bild endet der Roman.

Der Kriminalroman ist ein Spiel zwischen Autor und Leser, die Spielregeln dazu werden von den Erwartungshaltungen des Lesers diktiert. Ein gelungener Kriminalroman bedient die Erwartungen des Lesers in vorzüglicher Weise. Wenn dann, wie bei Groner, noch eine klare, nüchterne Sprache und eine dramaturgische Sorgfalt hinzukommen, dann ist der Kriminalroman fast immer ein Genuß, der die Zeit vergessen macht.